Norm-
bzw.
Fiqhregeln
und
ihre
beispielhafte
Anwendung
in
Bertaung
und
Therapie, u.a. in der Eheberatung
Unter
den
Al-qawaa'idul-fiqhiyyah
wird
fachspezifisch
Regeln
mit
übergeordnetem
Charakter
verstanden,
bei
denen
islamische
Normen
subsumiert
werden,
um
schneller
zum
Ergebnis
zu
kommen.
Diese
finden
Anwendung
bei
den
meisten
mit
ihr
zusammenhängenden
detaillierten
Einzelfällen
mit
untergeordnetem
Charakter
(Zaidan,
2011).
Die
Quellen
der
Fiqh-Regeln
sind
dabei
der
Koran,
die
Sunnah
und
Al-idschtihaad
(Regeln
werden
aus
den
Texten
oder
Vernunft
abgeleitet).
Die
übergeordneten
Fiqh-
Regeln
lassen
sich
gerade
für
den
nicht
in
Islamwissenschaften
mehrjährig
Ausgebildeten
als
Heuristik
nutzen,
um
ein
Orientierungsgefühl
zu
bekommen,
ob
das
vom
Gegenüber
in
der
Beratung
genutzte
Islamverständnis,
der
islamwissenschaftlichen
Realität
entspricht,
und
nicht
vielleicht
eine
geistliche
Abklärung
eine
dysfunktionale
Annahme
leichter
bearbeiten
lässt.
Auch
kann
eine
solche
Orientierungsregel
im
direkten
Gespräch
genutzt
werden,
in
dem
gefragt
wird,
ob
die
(dysfunktionale)
Ansicht
mit
der
entsprechenden
Fiqh-Regel
nicht
im
Konflikt
stehe.
Übergeordnete Fiqh-Regel Beispielhafte Anwendung in einer Therapiesituation
1. Maßgeblich beim Handeln ist die Absicht - al-umuuru bimaqaasidiha
Paare
finden
sich
immer
wieder
in
Situationen
wieder,
in
denen
sie
sich
gegenseitig
verletzt
haben,
aber
die
Art
und
Weise
oder
eine
gewisse
Wortwahl
bereuen.
Verletzungen
aus
diesen
Extremsituationen
können
lange
nachwirken.
Wenn
ein
Bewusstsein
und
Verständnis
entwickelt
wird,
dass
es
oft
gar
nicht
nur
um
das
Gegenüber
in
einem
Konflikt
geht,
sondern
zu
großen
Anteilen
um
das
im
verletzte
innere
Kind
(Stahl,
2015)
bzw.
Schemata
(Sachse
et
al.,
2013)
können
Fehler
leichter
verzeihbar
sein
und
in
der
Konfliktsituation
leichter
von
distanzierbar.
So
wie
wir
uns
Nachsicht
von
Gott
wünschen,
und
Er
uns
diese
auch
Gewährt,
wenn
wir
unbeabsichtigt
oder
automatisiert
etwas
tun
(versehentlich
Essen
während
Ramadan),
so
können
wir
-
im
begrenztem
Ausmaß
–
Nachsicht
mit
unseren
eigenen
Automatismen
und
denen
meines
Gegenübers
üben.
Ganz
praktisch
ist
dies
der
Fall,
wenn
in
einem
stark
ausgearteten
Konflikt
und
losgelöst
von
den
üblichen
Impulskontrollmechanismen,
die
Scheidung
ausgesprochen
wird.
Dies
ist
normalerweise
bindend
und
zieht
einige
islamrechtliche
Konsequenzen
nach
sich.
Geschieht
dies
jedoch
wie
oben
erwähnt
nicht
bei
klarem
Verstand,
kann
eine
Ungültigkeit
des
Scheidungsauspruchs geprüft werden.
2. Gesicherte Gewissheit wird durch eine Spekulation nicht aufgehoben - al-yaqiinu la yuzaalu bisch-schakk.
Ein
Ehepartner
unterstellt
dem
Anderen,
oder
der
Schwiegerfamilie,
eine
böse
Absicht
hinter
Aktionen
wie
nicht
eingeladen
worden
zu
sein.
Oder
dem
Ehepartner
wird
unterstellt
Fremdzugehen
oder
diese
Absicht
zu
hegen,
bei
fehlenden
objektiven
Gründen.
Dabei
kann
auch
folgende
Stelle
aus
dem
Koran
sehr
unterstützen,
um
Veränderungsbereitschaft
eigenen
dysfunktionalen
Denkens
und
Handelns
zu
entwickeln:
„Jedoch
sie
besitzen
kein
Wissen
hiervon.
Sie
gehen
nur
Vermutungen
nach;
und
Vermutungen
ersetzen
nicht
im
geringsten
die
Wahrheit.“
(Quran
53:28).
Das
Gleiche
gilt
für
die
Vermutung
vom
neidischen
/
bösen
Blick
(Ayn)
oder
Sihr
(Magie)
oder
Besessenheit betroffen zu sein.
3. Mühevolles zieht Entlastung nach sich - almaschaqqatu tadschlibut-taisiir
„Gewiss,
mit
der
Erschwernis
geht
Erleichterung
einher“
(Quran
94:6).
Mit
besonderen
Härten
folgen
islamische
Erleichterungen,
z.B.
kein
Fasten
bei
Krankheit,
Gebetsverkürzungen
auf
der
Reise
usw..
Entsprechend
können
psychische
und
besonders
die
Ehe
gefährdende
Probleme
Grund
genug
sein,
manche
Verpflichtungen
umzugestalten,
entsprechend
der
eigenen
individuellen
Situation.
Eine
Familie
wollte
kein
Kindergarten
in
Anspruch
nehmen,
sehen
sich
jedoch
überfordert.
Die
häufigen
und
konflikthaften
Familienbesuche
bringen
mehr
Schaden
als
Nutzen.
Die
früher
zu
stemmende
Verantwortungsübernahme
in
der
Gemeinde
oder
in
der
Verwandtschaft
ist
im
Moment
nur
mit
höchster
Anstrengung
und
auf
Kosten
der
(psychischen)
Gesundheit
und
Ehe
zu
leisten.
Für
all
diese
Fälle
kann
islamisch
legitimiert
Erleichterung
in
Anspruch
genommen
werden.
Auch
entsprechend
der
Stelle
im
Quran:
„Allah
erlegt
keiner
Seele
mehr
auf,
als
sie
zu
leisten
vermag…“
(Quran
2:286).
Und
„(Geschrieben
steht,)
dass
keine
lasttragende
(Seele)
die
Last
einer
anderen
tragen
soll“
(Quran
53:38).
Häufig
stehen
kulturelle
und
erlernte
psychologische
Normen
der
Annahme
solcher
Erleichterungen
im
Weg.
Eine
religiöse
Legitimation
kann
dabei
unterstützen,
bisherige
Normen
zu
hinterfragen
und
zu
prüfen,
wie
eine
neue
gesündere
Balance
aussehen
kann.
Ein
sensibles
und
behutsames
Vorgehen
ist
dabei
wichtig,
da
mit
hohen
inneren
Widerständen
zu
rechnen
ist.
Zumindest
es
für
einen
Zeitraum
von
beispielsweise
drei
bis
sechs
Monaten
auszuprobieren
und
im
Anschluss
erneut die Vor- und Nachteile zu prüfen, kann eine wirkungsvolle Intervention darstellen.
4. Der Schaden ist zu beseitigen - ad-dararu yuzaal
Ein
Partner
ist
selber,
oder
der
andere
ist
von
einer
psychischen
Krankheit
betroffen,
und
will
sich
nicht
therapeutisch
behandeln
lassen
oder
lässt
keine
Behandlung
zu.
Autonome
Entscheidung
ist
zu
respektieren,
bei
gleichzeitiger
Aufzeigung
der
Konsequenzen
für
das
Individuum
und
die
Beziehung
und
Spiritualität.
Behandlung
wird
psychologisch
und
spirituell
empfohlen,
um
Schaden
und
Belastung
zu
minimieren.
Frage
an
blockierende
Person,
was
sie
noch
benötigt,
was
sie
befürchtet,
wie
man
unterstützen
kann
um
Sorgen
abzubauen.
Falls
die
Optionen
nur
Schlecht
und
Schlechter
zur
Auswahl
lassen,
wird
die
Option
mit
weniger
Schaden
gewählt
und
wird
somit zu einer angemessen guten Option.
5. Die Sitte ist maßgebend / zu berücksichtigen - al-‘aadatu muhakkamah
Bei
der
Berücksichtigung
kulturell
relevanter
Normen,
kann
auf
vier
Quellen
zurückgegriffen
werden.
Die
Norm
des
Ehemannes,
die
Norm
der
Ehefrau,
die
Norm
wo
das
Paar
den
Großteil
seines
Lebens
verbracht
hat,
die
Norm,
wo
das
Paar
zur
Zeit
sein
Leben
verbringt.
Den
aktuellen
Ehepartner
mit
einem
romantisierten
Bild
der
Großelterngeneration
zu
vergleichen,
ist
in
den
seltensten
Fällen
förderlich.
Es
kann
bei
dysfunktionalen,
überhöhten
Annahmen
helfen,
dass
der
Berater
seine
Erfahrungen
mit
Paaren
anbietet,
was
er
für
Modelle
kennengelernt
hat,
und
diese
wertfrei
zur
Prüfung
anbietet.
Wichtig
ist
hierbei
stets
zu
beachten,
dass
Paarabmachungen
immer
im
Gesamtkontext
einzuordnen
sind
und
individuelle
Abmachungen
zu
finden
sind.
Beispielhaft
kann
hier
der
Wunsch
eines
Ehepartners,
mit
der
Mutter
in
einem
Haushalt
zu
leben,
wie
dies
beispielsweise
in
einigen
albanischen
und
afghanischen
und
Familien
aus
anderen
Kulturkreisen
üblich
ist.
Mit
so
einer
Forderung
kann
ein
in
Deutschland
sozialisierter,
und
möglicherweise
aus
einem
anderen
Kulturkreis
stammender
Ehepartner
überfordert
sein.
Um
teilweise
überhaupt
eine
Diskussionsbereitschaft
bei
dem
normaufstellenden
Ehepartner
zu
entwickeln,
kann
auf
die
Fiqhregeln
„Die
Sitte
ist
maßgebend
/
zu
berücksichtigen"
und
„Der
Schaden
ist
zu
beseitigen
bzw.
die
Wahl
ist
zu
treffen,
in
der
weniger
Schaden
und
mehr
Nutzen
ist“
hingewiesen
werden.
Möglicherweise
lassen
sich
dann
Abmachungen
und
Lösungen
finden,
wie
auf
einer
Straße
oder
im
selben
Stadtteil
zu
leben,
mit
der
Option,
bei
Pflegebedürftigkeit,
erneut
nach
einer
eheverträglichen
Lösung
zu
suchen,
wieder
unter
der
Berücksichtigung
der
individuellen
Situation
des
Ehepaares
und „Die Sitte ist maßgebend / zu berücksichtigen“.
Referenzen:
Sachse, R., Breil, J. & Fasbender, J. (2013). Klärungsorientierte Paartherapie. Hogrefe.
Stahl, S. (2015). Das Kind in dir muss Heimat finden: Der Schlüssel zur Lösung (fast) aller Probleme (Originalausgabe). Kailash.
Zaidan,
A.
M.A.
(2011).
Usuulul-fiqhi
wa
qawaaʾiduh:
Einführung
in
die
Belegquellen
und
ihre
Hermeneutik
sowie
in
die
Fiqh-Regeln.
Die
islamologische
Enzyklopädie: / Amir M. A. Zaidan ; Bd. 7. Islamologisches Institut.
Anas El-Amin Loucif, M.Sc. Psychologe. Beratung - Therapie - Hilfe
unterstützt den
humanitären Hilfsverein:
Für neueste Informationen
und Vorträge
- Gewiss, mit der Erschwernis geht Erleichterung einher.
Mit dem Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen